Eintracht Frankfurt profitiert finanziell enorm vom Europacupsieg, will aber weiter vernünftig wirtschaften.
Frankfurt – Wer nach dem großen Europapokalsieg von Sevilla nun denkt, Eintracht Frankfurt wird mit der Champions-League-Qualifikation im Rücken auf große Einkaufstour gehen und es mal richtig krachen lassen auf dem Transfermarkt, der ist auf dem Irrweg. Da treten alle Verantwortlichen, selbst im Rausch des Erfolges und selbst der größte Volkstribun, mit voller Wucht auf die Bremse. Sogar einer wie Peter Fischer, der rund ums Finale der emotionale Leuchtturm der Eintracht war und ein wahres Sprüchefeuerwerk gezündet hat, ist bei diesem Thema vorsichtig. „Wir werden nicht alle Kredite einreißen und einfach mal kaufen, nur weil wir uns einmal für die Champions League qualifiziert haben“, sagte der 66-Jährige. „Wir machen kein Harakiri.“
Aufsichtsratschef Philip Holzer, der den Triumph ausgelassen und überschwänglich feierte und von seinen Gefühlen davongetragen wurde, bleibt als ehemaliger Investmentbanker ebenfalls lieber zurückhaltend. „Wir wollen langsamen wachsen, Schritt für Schritt“, befand der einflussreiche Funktionär, ein Herr der Zahlen. „Und die Menschen wollen wir immer mitnehmen.“ Das ist nicht nur ihm wichtig.
Und auch Sportvorstand Markus Krösche will seine Transferstrategie nicht grundlegend ändern, obwohl er eigentlich das größte Interesse daran hat, möglichst viel Geld dafür zur Verfügung zu haben, um die Mannschaft so aufzustellen, dass sie die gewaltigen Herausforderungen bewerkstelligen kann. „Natürlich sind das finanzielle Einnahmen, die uns nach zwei Jahren Corona extrem gut tun“, sagte der 41-Jährige. „Das hilft uns extrem für die Zukunft. Aber wir müssen clever und vorgelagert arbeiten.“ Die Pandemie hat mal eben 70 Millionen Euro verbrannt. Da kommen die Zusatzeinnahmen aus den internationalen Wettbewerben genau zur rechten Zeit.
Doch irgendwelche Superstars zu irgendwelchen Mondpreisen wird es nicht geben. Die Mannschaft, die sich in der Bundesliga und der Königsklasse beweisen muss, soll mit Augenmaß verstärkt werden. Es soll nichts getan werden, was der Verein später bereuen muss. Es gibt genügend Beispiele von Klubs, die im Erfolgsfall die Gehaltsspirale immer weiter nach oben gedreht haben, um konkurrenzfähig zu sein. So weit gar, bis sie ihren Verpflichtungen kaum mehr nachkommen konnten, wenn der Erfolg ausgeblieben ist. Das ist ein Spiel mit dem Feuer und kann einen Klub in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Im Erfolg, heißt es ja ohnehin, werden die größten Fehler gemacht. Und es gibt genügend Funktionäre, der alte Fahrensmann Heribert Bruchhagen gehört dazu, die vor unüberlegtem Handeln warnen. So eine einmalige Teilnahme an der Königsklasse berge auch Gefahren.
Mit Sicherheit wäre es verkehrt, jetzt die Struktur der Mannschaft, auch die Gehaltsstruktur, aufzubrechen. Sie hat sich über eine innere Geschlossenheit und ausgeprägtem Teamgeist definiert – Neiddebatten oder Starspieler mit entsprechendem Salär könnten diesen Spirit torpedieren. Die Verantwortlichen wissen das nur zu gut.
Andererseits hat der Siegeszug durch Europa mit der Krönung am Mittwoch die Eintracht in ein anderes Licht gerückt. Da meldet sich nicht mehr ein mittelständischer Bundesligist und fragt nach, ob vielleicht Interesse an einem Engagement bestehen könnte, sondern der amtierende Europapokalsieger und baldige Champions-League-Teilnehmer. Das ist sexy. Keine Frage. Räumt auch Peter Fischer ein. „Es ist ein bisschen einfacher in der Akquisition, wenn du sagen kannst, dass du nicht weißt, ob du gegen Liverpool oder Real Madrid spielst, aber vielleicht hast du Bock dabei zu sein. Das hört sich besser an als Greuther Fürth“, sagte der Präsident. Die Eintracht wird, bei allem Understatement und bei aller Zurückhaltung, nun natürlich den einen oder anderen Spieler an Land ziehen können, der ohne den Finalsieg nicht darstellbar gewesen wäre.
Zumal die Eintracht finanziell enormen Boden gut gemacht hat. Die Europa League hat mehr als 30 Millionen Euro eingespielt, das Supercup-Finale bringt mindestens 3,5 Millionen, auch in der nationalen TV-Geld-Tabelle hat der Klub am letzten Spieltag (2:2 in Mainz) fast alle Angriffe der Konkurrenten doch noch abwehren können, sodass auch hier fast fünf Millionen Euro zusätzlich fließen. Abzuziehen sind natürlich die Ausgaben rund um die Spiele sowie die nicht unwesentliche Prämien für die Spieler.
Und: In der Champions League kann richtig Geld verdient werden. Allein die Antrittsgage beläuft sich auf fast 16 Millionen Euro, pro Sieg gibt’s 2,8 Millionen, für eine Qualifikation fürs Achtelfinale wären fast zehn Millionen Euro fällig. Hinzu kommen noch Bonuszahlungen aus dem sogenannten Marktpool. Natürlich würde die Eintracht aufgrund der Koeffizienten-Regelung nicht so viel einstreichen wie Champions-League-Stammgäste, aber alles in allem ist das doch eine gewaltiger Satz in schwierigen Zeiten. Zumal ja noch Zuschauer-Einnahmen hinzukommen. Zur Verdeutlichung: In der abgelaufenen Spielzeit haben nur die Bayern die K.o.-Phase der Champions League erreicht, Borussia Dortmund, RB Leipzig und VfL Wolfsburg aber ebenfalls gut verdient: Der BVB kam auf 62,9 Millionen, Leipzig auf 45,5 Millionen und der VfL auf 36,5. Die Unterschiede machen sich an den erfolgsabhängigen Prämien (Siege) und der Klub-Koeffizienten-Rangliste fest, auf diesem Sektor fiel für Wolfsburg (6,8 Millionen) eben sehr viel weniger ab als für Dortmund (26,2).
Die Eintracht wird ihre Einnahmen auch zur Stärkung des Eigenkapitals nutzen, was in den vergangenen Jahren abgeschmolzen ist und durch zusätzliche Kapitalmaßnahmen aufgestockt werden soll. Doch natürlich wird sie ihren Kader verstärken, vielleicht auch mal eine Ablöse zahlen, was vorher nicht drin gewesen wäre. Der Verein müsse sich darauf einstellen, „mehr zu investieren“, sagte Vorstandssprecher Axel Hellmann. „Die Champions League wird uns viel abverlangen. Aber die grundsätzliche Philosophie werden wir nicht verlassen.“
Und vielleicht bleibt ja auch der eine oder andere Spieler, der ansonsten gegangen wäre, Filip Kostic etwa, der von der Uefa am Freitag zum „Europa-League-Spieler der Saison“ gekürt wurde. Große Ehre für den 29-Jährigen, der sieben Tore vorbereitet und den FC Barcelona fast im Alleingang erlegt hat. Eine verdiente Auszeichnung. Genauso wie die für Ansgar Knauff, der zum besten Nachwuchsspieler gewählt wurde. Vor ein paar Monaten, es hat sich rumgesprochen, kickte der Senkrechtstarter noch in der dritten Liga. (Ingo Durstewitz)